Siedlung Lindenhof ab 1918

Tempelhof-Schöneberg

Ein Denkmal, das Baugeschichte(n) schreibt

 

Architektur von Martin Wagner, Bruno Taut und Leberecht Migge

 

Idee der Gartenstadt

Der erste Spatenstich für die historische Siedlung war im Dezember 1918 am Ende des Ersten Weltkrieges. Sie wurde unter Leitung des damaligen Schöneberger Stadtbaurats Martin Wagner (1885 – 1957) entwickelt und orientierte sich an der Idee der Gartenstadt. Auf Grund ihrer Lage und Architektur wirkt die Siedlung in sich abgeschlossen, was an den torartigen Zugängen in der Reglin- und der Röblingstraße zu sehen ist. Als ehemalige Gartenstadt zeichnet sich der Lindenhof heute durch seine parkähnlichen Freiflächen mit altem Baumbestand und eigenem Weiher aus, der aus einem eiszeitlichen Pfuhl entstand. Die Umgebung des Lindenhofs war zur Entstehungszeit eher dörflich geprägt.

 

Licht, Luft und Grün

Der Lindenhof – eine Pioniersiedlung mit Vorbild-Charakter – zeichnete sich vor allem durch guten Wohnraum zu günstigen Konditionen, zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen und die Möglichkeit der Selbstversorgung in Hausgärten aus. Trotz Verwendung von zwei Typenhäusern entstand ein in sich stimmiges Wohnquartier als Alternative zu damaligen luft- und lichtlosen Wohnverhältnissen der Berliner Mietskasernen. 127 Vier- und 75 Einfamilienhäuser entstanden. Ansprüche an die Architektur, menschenwürdigen Wohnraum mit Licht, Luft und Grün zu schaffen, wurden hier realisiert.

 

Das Ledigenheim von Bruno Taut

Das Lindenhof-Ensemble ergänzte Bruno Taut (1880 – 1938) mit dem Ledigenheim Eythstraße / Ecke Domnauer Straße. Eine markant, gewundene Eck-Architektur mit zentralem Tor zum Platz Suttnerstraße und gärtnerischer Gestaltung bildete den repräsentativen Hauptzugang von Norden.

Das Haus mit Läden, Restaurant und Festsaal war ein architektonischer Leuchtturm in der schlicht gestalteten Kleinwohnhaussiedlung und zentraler Anlaufpunkt. Insgesamt 120 Alleinstehende und benachbarte Fabrikbeschäftigte lebten in der sozialen Einrichtung. Im Zweiten Weltkrieg wurde dieser expressionistische Bau völlig zerstört.

 

Martin Wagner (1885 – 1957)

Martin Wagner, geboren am 05.11.1885 in Königsberg, studierte Architektur in Berlin und Dresden. Seine berufliche Karriere begann im Bauamt Berlin-Weißensee, es folgten drei Jahre Stadtplanertätigkeit im Bauamt Rüstringen bei Wilhelmshaven. 1914 kehrte er nach Berlin zurück und schrieb als Vertreter der Gartenstadtbewegung seine Dissertation über „Das sanitäre Grün der Städte“.

Am 01.07.1918 zum Stadtbaurat von Schöneberg berufen, wurde er zentrale Figur des Wohnungsbaus im Berlin der Weimarer Republik. Als Stadtbaurat von Groß-Berlin (1926 – 1933) nutzte er seine Lindenhof-Erfahrungen bei weiteren Siedlungen der 1920er Jahre, u. a. mit Planungspartner Bruno Taut bei der Hufeisensiedlung Britz (1925 – 1927), die heute zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

 

Bruno Taut (1880 – 1938)

Bruno Taut, geboren am 04. Mai 1880 in Königsberg, war Architekt und Stadtplaner. 1900 schloss er eine Ausbildung an der Königsberger Baugewerkschule ab. 1902 arbeitete er bei Architekten in Hamburg und Wiesbaden, später beim bekannten Architekten Bruno Möhring in Berlin, hier sammelte er Erfahrungen mit dem Jugendstil und neuen Baumethoden mit Stahl und Stein. Ab 1904 arbeitete Taut in Stuttgart bei Theodor Fischer im Bereich Stadtplanung.

1908 kam er nach Berlin zurück und studierte Kunstgeschichte und Städtebau. 1909 eröffnete er das Architekturbüro Taut & Hoffmann mit Architekt Franz Hoffmann.

Als Anhänger der Gartenstadtbewegung prägte er später oft mit Martin Wagner den Berliner 1920er-Jahre-Großsiedlungsbau. Taut erschuf mit neuen Baumethoden und Gestaltungselementen im Wohnsiedlungsbau die Stilrichtung das „Neue Bauen“.

1930 wurde er Professor an der Technischen Hochschule Berlin und 1936 an der Akademie der Künste in Istanbul, zwischenzeitlich realisierte er weltweite Projekte.

 

Leberecht Migge (1881 – 1935)

Der Landschaftsarchitekt Leberecht Migge, geboren am 20. März 1881 in Danzig, entwickelte sich vom handwerklich-technisch ausgerichteten Gartenbauer zum Grüngestalter. 1912 trat er dem Deutschen Werkbund (Vereinigung zum Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk) bei.
Er vertiefte seine Theorie zur Rolle und Funktion der Landschaftsarchitektur und publizierte Bücher wie „Die Gartenkultur des 20. Jahrhunderts“ (1913) und „Jedermann Selbstversorger“ (1918). Soziale Funktionen des städtischen Grünraums und die Idee der Gartenstadt wurden thematisiert.

In den 1920er und 1930er Jahren gestaltete Migge viele Außenanlagen der Bewegung des „Neuen Bauens“. Er arbeitete mit den Architekten Bruno Taut und Martin Wagner zusammen. Migges besonderes Interesse galt dem privat nutzbaren Garten, der als „erweiterter Wohnraum“ diente.

Er war Vorreiter im Entwurf vielfältiger nutzungsorientierter Konzepte wie Spielbereiche für Kinder, gemeinschaftlich nutzbare Dachgärten, Ruhebereiche für Ältere oder auch der Müllentsorgung.

 

(Mehr Infos mit Bildern zu den Häusern bis 1945)