Siedlung Lindenhof Wiederaufbau

Tempelhof-Schöneberg

Ein Denkmal, das Baugeschichte(n) schreibt – Der Wiederaufbau

 

Architektur von Heinrich Sobotka, Gustav Müller und Hans-Jürgen-Juschkus

 

Neue Architektursprache

In den 1950er Jahren wurden die zerstörten oder schwer beschädigten Teile des Lindenhofs nach dem Leitbild der aufgelockerten Stadt wieder aufgebaut. Die ursprüngliche zweigeschossige Randbebauung um die Gärten aus den 1920er Jahren wurde durch eine damals moderne Zeilenbauweise ersetzt.

Die ersten Hauszeilen stellten 1954 die Architekten Franz-Heinrich Sobotka und Gustav Müller fertig. Zwischen Röbling- und Suttnerstraße sowie in der Arnulfstraße und Domnauer Straße wurden mehrere Riegel mit drei- und viergeschossigen Flachdachhäusern gebaut. So ging die historisch geschlossene Bebauung verloren. Aus ehemaligen Hausgärten entstanden ungeteilte Gemeinschaftsflächen.

 

Laubengang-Hochhaus als Eingang

Die neue Zeilenbauweise fügt sich trotz Baustilwechsel im Größenverhältnis relativ harmonisch in den Bestand ein. Kontrastreicher hingegen ergänzt das markante siebenge-schossige Laubengang-Hochhaus von Sobotka und Müller in der Eythstraße die neue Siedlungsstruktur. Das Verwaltungs- und Wohnhaus mit 40 Einraum-Appartements und sechs Gewerbeeinheiten bildet den neuen Eingang zur Siedlung.

 

Bundespräsident zu Besuch

1954 konnte der Abschluss der ersten Phase des Wiederaufbaus im Lindenhof gefeiert werden. Insgesamt entstanden 292 Wohnungen im Neubau und 136 im Altbestand.

Als ein Pilotprojekt für den sozialen Wiederaufbau Berlins bewertet, erhielt der Lindenhof besondere Anerkennung durch den Besuch des Bundespräsidenten Theodor Heuss am 8. September 1955. Der kannte den Lindenhof von Anfang an: Er gehörte 1918 zu den Schöneberger Stadtverordneten, die den Bau der Siedlung beschlossen hatten.

 

Sobotka / Müller – Hausarchitekten der GeWoSüd

Die Schwerpunkte des Berliner Architektenduos Sobotka / Müller lagen in Geschäftsbauten und mittleren Hochhausbauten der Berliner Nachkriegszeit. Sie prägten damit das Bild des Wiederaufbaus in West-Berlin.

Ihren architektonischen Durchbruch erlangten sie unter anderem mit Umgestaltungen des Messegeländes, dem „Henry- Ford-Bau“ mit Audimax und Bibliothek der Freien Universität in Dahlem (1952 – 55) als auch mit dem Wiederaufbau der Volksbühne Berlin mit Hermann Fehling (1948 – 51, realisiert wurde nur der Außenbau).

Das Geschäftshaus Schimmelpfeng am Bahnhof-Zoo (1952 – 55), das inzwischen der städtebaulichen Neuordnung am Breitscheidplatz gewichen ist, und das damals erste Berliner Wohnhochhaus am Roseneck (1954 – 55) zählen zu den wichtigen Bauwerken. Der markante 15-geschossige Stahlbeton- Bau „Roseneck“, mit 90 Wohneinheiten und Y-förmigem Grundriss, garantiert mindestens ein nach Süden ausgerichtetes Zimmer pro Wohnung.

Neben dem genossenschaftlichen Engagement im Lindenhof realisierten beide für die GeWoSüd unter anderem die Wohnstandorte Kaiser-Wilhelm- Straße / Scharzhofberger Straße mit 112 Wohnungen in Zeilenbauweise (1960 / 61) und Charlottenstraße mit 93 Wohnungen in Hochhaus- und Zeilenbau in Lankwitz (1968).

Sie wurden gern als „Hausarchitekten der GeWoSüd“ bezeichnet.

 

Prof. Franz-Heinrich Sobotka (1907 – 1988)

Franz-Heinrich Sobotka wurde am 24. Dezember 1907 in Wien geboren. Sobotka erlernte das Tischlerhandwerk, im Anschluss absolvierte er sein Architekturstudium an der Akademie für angewandte Kunst in Wien. Er besuchte die Meisterklassen Josef Hoffmann und Oskar Strnad und arbeitete im Atelier des österreichischen Architekten Hugo Gorge, dessen Entwürfe für ornamentlose Schlichtheit stehen.

Ab 1927 siedelte er nach Berlin. Hier war er in den Ateliers von Bruno Paul und Erich Mendelsohn angestellt, die sein späteres Schaffen entscheidend beeinflussten. Ab 1934 arbeitete er selbständig, ab 1945 in Gemeinschaft mit Prof. Gustav Müller.

Sobotka war Mitglied im Bund Deutscher Architekten (BDA), im Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin und in der Wiener Secession. Am 12. November 1988 starb er in Berlin.  

 

Prof. Gustav Müller (1906 – 1987)

Gustav Müller wurde am 23. September 1906 in Österreich geboren. Müller absolvierte eine Tischlerlehre und studierte anschließend  Architektur an der Akademie für bildende Künste in Wien. Er besuchte die Meisterklasse Carl Witzmann, Oskar Strnad und Clemens Holzmeister. In Wien war Müller im Atelier Adolf Loos und später in Prag im Atelier Ehrmann – Prof. Josef Gocar tätig.

Ende der 1920er Jahre siedelte er von Wien nach Berlin und war dort u. a. in den Ateliers Brüder Luckhardt und Alfons Anker, Bruno Paul sowie Franz-Heinrich Sobotka tätig. 1945 assoziierte er mit Sobotka kurzfristig als Architektengemeinschaft Sobotka – Müller – Fehling, später Sobotka – Müller Berlin.

Müller war Mitglied im BDA und AIV Berlin (1952 – 1970), ebenso in der Wiener Secession. Im Mai 1962 bekam Müller vom österreichischen Bundespräsidenten den Professoren-Titel verliehen. 1968/ 1969 beendete Prof. Müller seine architektonischen Tätigkeiten. 1970 ging er nach Rottach-Egern am Tegernsee, wo er am 17. Mai 1987 verstarb.

 

Hans-Jürgen Juschkus (geb. 1932)

Hans-Jürgen Juschkus, geboren am 18. März 1932, ging in Königsberg und Danzig zur Schule, später in Thüringen und Berlin auf das Gymnasium. Juschkus studierte Architektur an der Berliner Bauakademie.

Ende 1957 trat er in die Architekten-Sozietät mit Prof. Franz-Heinrich Sobotka und Prof. Gustav Müller ein. Ab 1970, mit Austritt von Müller, war er allein in Sozietät mit Prof. Sobotka unter dem Namen Architekturbüro Prof. Sobotka – Juschkus. Mit Ausscheiden von Prof. Sobotka aus Altersgründen führte Juschkus ab 1983 das Büro selbständig weiter.

Ein bekanntes Bauwerk von Sobotka – Juschkus ist das 19-geschossige Verlagshaus Axel Springer (1960). Neben weiteren Projekten lag die Spezialisierung in den letzten Jahren im Bereich Altenpflegeheime, betreutes Wohnen und in der Planung und Durchführung weiterer Sozialprojekte, zum Beispiel für die Suchthilfestiftung Synanon.

 

(Mehr Infos mit Bildern zur Siedlung in den 50er Jahren)