Togostraße 56 / Transvaalstraße 12 – 12 A

Mitte (Wedding)

Architektur von Ernst und Günther Paulus

Das Eckhaus-Ensemble in der Togostraße 56/ Ecke Transvaalstraße 12 – 12 A besteht aus drei aneinanderliegenden Häusern. Es befindet sich mitten im „Afrikanischen Viertel“ im Bezirk Wedding. Gebaut wurden die Häuser 1929 von den Architekten Ernst und Günther Paulus. Über 60 Jahre später wurden 1993 durch einen modernen Dachaufbau vier weitere familiengerechte Wohnungen geschaffen. Den Bewohnern stehen heute insgesamt 34 Wohnungen zur Verfügung. Die Hälfte
der Wohnungen sind 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen, die andere Hälfte sind 2,5- bis 3-Zimmer-Wohnungen, eine Wohnung im Dachgeschoss hat 4 Zimmer. Viele Nationalitäten beleben heute in einem angenehmen Miteinander das 84 Jahre alte Wohnhaus mit kleinem „Funktionsinnenhof“ mit Strauchbepflanzungen und Fahrradabstellmöglichkeiten.

 

Häuser von Vater und Sohn

Im Wohnhaus Togo­straße 56/ Ecke Transvaalstraße 12 – 12 A wurde 1993 das erste Dachgeschoss der GeWoSüd mit vier größeren Wohnungen ausgebaut. Auf den ersten Blick ein normales Haus. Bis auf den Eingang: Backsteinkaskaden leiten zur Haustür hin. Was der Laie interessant findet, deuten Kunst-­ und Architekturhistoriker als norddeutschen Expressionismus. Hauptvertreter sind Ernst Paulus und sein Sohn Günther. 1929 haben sie das Haus in Wedding entworfen und 1930 das Eckhaus Berliner Allee 251, Liebermannstraße 41 und 43.

In der Tat stehen die beiden Paulus-­Häuser der GeWoSüd nicht in der Liste der Hauptwerke. Ernst Paulus, Jahrgang 1868, begann seine Laufbahn im Berliner Architekturbüro Grisebach und Dinklage. Von Grisebach bekannt ist die verschnörkelte Villa in der Fasanenstraße, in der sich heute das Kollwitz­-Museum befindet. Ernst Paulus lernte hier das Geschäft des Villenbaus für die oberen Tausend des Kaiserreichs. An Schlössern in Klink bei Waren und in Göhren-­Lebbin war er beteiligt. 1901 zog sich Grisebach zurück und Paulus wurde Partner von Dinklage.

Nun wurden Kirchen gebaut, jedes Jahr eine. Günther Paulus wurde 1898 geboren und war wohl von Kleinkind­heit an den großen Maßstab gewöhnt, in dem sein Vater baute. Er studierte in Berlin und Darmstadt, kam mit dem Werkbund in Berührung, die „neue Sachlichkeit“ war dort das Thema. So promovierte Günther Paulus unverfänglich über „architektonische Gestaltungsmittel der Gartenanlagen zwischen Rhein und Main“. 1924 wurde er Partner im Büro seines Vaters.

Neben verschiedenen Landhaus-­ und Villenaufträgen in Hinterpommern und Brandenburg realisierten Vater und Sohn eine Reihe von großen Mietshäusern in Berlin, darunter die beiden Häuser der GeWoSüd. In dieser Zeit entstanden auch drei Anlagen und Bauten, die bis heute das Stadtbild prägen: 1925/ 26 mit Barock anmutender Fassade der Gebäude der Großhandels­ und Lagerei­-Berufsgenossenschaft in der Bundesallee 57 – 58, 1928/ 29 die Kreuzkirche am Hohenzollerndamm und von 1928 bis 1931 die „Künstlerkolonie Berlin“ am Südwestkorso.

Beauftragt wurde das Büro Paulus & Paulus von der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) und dem Schutzverband deutscher Schriftsteller. Schnell wurde die Künstlerkolonie zu einer Heimat vorwiegend linker Intellektueller und Künstler. Die Bewohner der Künstler­kolonie, die überwiegend mit der SPD und der KPD sympathisierten, stellten einen „roten Block“ inmitten eines national­konservativ und nationalsozialistisch geprägten Umfeldes dar. Am 15. März 1933 wurde die Kolonie von Polizei und SA umstellt, zahlreiche Wohnungen wurden aufgebrochen und viele Bewohner verhaftet. Literatur, die als links eingeschätzt wurde, kam auf dem benachbarten Laubenheimer Platz auf den Scheiterhaufen. Zahlreiche Bewohner der Künstlerkolonie wie Ernst Bloch, Ernst Busch, Walter Hasenclever, Alfred Kantorowicz, Arthur Koestler, Susanne und Wolfgang Leonhard verließen in den folgenden Wochen Deutschland.

Vater und Sohn Paulus hatten bereits 1932 die „Pflug und Egge“ Landsiedlungsgesellschaft gegründet und bauten in Mecklenburg­ Vorpommern insgesamt 156 sogenannte „Reichserbbauernhöfe“. „In elf Dörfern hinterließen sie eine Spur der Steine“, schrieb die Regionalzeitung Nordkurier.

1935 starb Ernst Paulus in Berlin. Mit Kriegsbeginn 1939 wurde Günther Paulus eingezogen.

Nach dem Krieg wanderte Günther Paulus nach Brasilien aus, wo die Familie seiner Frau seit dem 19. Jahr­hundert lebte. Dort baute er Hochhäuser, Wohnhäuser und immer wieder Kirchen.

Günther Paulus starb 1976 in Tegernsee.

 

(Mehr Infos mit Bildern zur Bebauung und zur Grünanlage)

 

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