Treptowerstraße / Ulsterstraße / Werrastraße / Weigandufer

Gewachsene Neuköllner Wohnanlage

 

Architektur von Ernst Bürgel, Johann Riegelmann, Franz-Heinrich Sobotka und Gustav Müller

 

289 Wohnungen in 31 Häusern bilden heute die Wohn­anlage Neukölln an der Treptower, Ulster­ und Werrastraße sowie dem am Neuköllner Schifffahrtskanal gelegenen Weigandufer. Das heutige Wohnensemble aus Blockrand­bebauung mit Öffnung zum Kanalufer, begrünten Innen­höfen und einem innen liegenden Zeilenbau hat sich im Laufe von Jahrzehnten entwickelt und geht auf verschiedene historische Ursprünge und Handschriften von Architekten zurück.

 

Seit 1877 verband eine Straße die Orte Rixdorf und Treptow. 1877 wurde sie zur Treptower Straße benannt.
Sie führt über den Neuköllner Schifffahrtskanal, der den Landwehrkanal von der Lohmühlenbrücke im Norden mit dem Teltow-­ sowie dem Britzer Verbindungskanal am Hafen Britz­-Ost im Süden verbindet. Unter Planung und Leitung des späteren Neuköllner Stadtbaurats Hermann Weigand wurde 1902/ 1903 zuerst eine Verbindung zwischen Land­wehrkanal und der damaligen Rixdorfer Gasanstalt fertig gestellt. Seit 1904 trägt die südliche Uferstraße den Namen Weigandufer. Die Werrastraße wurde 1913 nach einem der beiden Hauptquellflüsse der Weser benannt. Die Ulster ist ein linker Nebenfluss der Werra in Hessen und Thüringen. Die im Zuge der Bebauung entstandene Straße wurde 1930 nach dem Fluss benannt.

Der erste Bau der heutigen Wohnanlage der GeWoSüd entstand ab 1927 mit 44 Wohnungen an der Treptower Straße 80 – 82 und Werrastraße 39 – 40 nach Plänen des Architekten Ernst Bürgel, dessen Renommee Anfang des 20. Jahrhunderts durch den Entwurf von Villen begründet wurde. Die heute deutlich hervorstechende Architektur im Ensemble zeichnet sich durch eine klare horizontale Gliederung der Fassade und massive Bauweise aus.

 

Die damalige LANDBAU­-Genossenschaft erwarb das erste Grundstück. In den Plänen der „LANDBAU“, die 1942 mit der Lindenhof­-Genossenschaft zur GeWoSüd fusionierte, waren zwei weitere Wohnblöcke mit betonten Kopfbauten vorgesehen. Sie entwarf ab 1929 Johann Riegelmann. Zwischen ihnen wurde die Ulsterstraße neu angelegt. Die Pläne wurden zwischen Januar und Mai 1930 baupolizeilich geprüft, so dass im Mai 1930 mit den Bau­arbeiten für 162 Wohnungen begonnen wurde. Die vier­ geschossigen Häuser wurden dann am Weigandufer an die seit 1914 dort bestehenden Häuser angeschlossen.
Die Fassaden erhielten den für die 1920er Jahre üblichen Material­-Mix aus schlichten Putz-­ und wirkungsvollen Klinker-Flächen an Hauseingängen und Balkonen, den man heute noch sehen kann. Als Fortschritt zu den ersten Bauvorhaben waren die Wohnungen jetzt bereits mit Zentralheizungen ausgestattet.

Am 28. Januar 1944 wurde das Haus Werrastraße 40 durch Fliegerbomben zerstört. Die anliegenden Häuser wur­den ebenso beschädigt. Am 20. März 1945 folgten weitere starke Beschädigungen der Siedlung durch Fliegerbomben. Die Wohnungen mussten teilweise wegen Einsturzgefahr geräumt werden.

Erst in den 1950er Jahren erfolgten der Wiederauf­bau und die Lückenschließung zwischen den bis dahin freistehenden Genossenschaftshäusern zu einer Gesamt­siedlung. Die ersten konkreten Pläne zum Wiederaufbau gab es Ende 1949. Realisiert wurden schließlich die Pläne der „Hausarchitekten“ der GeWoSüd, Prof. Franz­ Heinrich Sobotka und Prof. Gustav Müller. Die Lücke in der Werra­straße wurde geschlossen. Ein Grundstück am Weigand­ufer wurde hinzugekauft, und bis 1954 wurden insgesamt 100 Wohnungen in zwei Flachbauten an der Treptower Straße und am Weigandufer gebaut. Es wurde schnell und effizient gebaut, auch flächensparend. So entstand auch das Waschhaus als gemeinschaftliche Einrichtung.

 

Technisch ohne teuren Leitungsaufwand war eine Beheizung durch „Dauerbrandöfen“ die günstigste Lösung. Allerdings klagten alsbald die Bewohner der umliegenden Häuser über den Gestank, der sich aus den Schornsteinen des relativ niedrigen Viergeschossers im Inneren des Wohn­blocks verbreitete. 1971 wurden die Häuser umgebaut und an das neue Fernwärmenetz angeschlossen, nachdem zuvor die Kapazität des Fernheizwerks Neukölln am Weigandufer 49 erhöht worden war.

 

(Mehr Infos mit Bildern zur Baugeschichte und zu den Grünanlagen)

 

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