Kaiser-Wilhelm-Straße 98 – 106A / Scharzhofberger Straße 1 – 11A

Steglitz-Zehlendorf

Lankwitzer Grün statt Autobahn

 

An der Kaiser-Wilhelm-Straße lässt sich die Stadtentwicklung Berlins im 20. Jahrhundert nachvollziehen
Am 5. August 1959 wurde im Atelier der Architekten Prof. Heinrich Sobottka und Gustav Müller der Gartenplan für das Projekt „Berlin-Lankwitz Bruchwitzstraße“ fertiggestellt. 112 Wohnungen sollten hier auf einem Trümmer-Grundstück der „Wohnungsgenossenschaft Berlin-Süd“ entstehen. Hier waren einmal 100 Wohnungen und die Verwaltung der Landbau-Genossenschaft, die 1942 mit der Lindenhof-Genossenschaft zur Wohnungsgenossenschaft Berlin-Süd zwangsvereinigt wurde.



Ein Platz verschwindet
1943 zerstörten Luftminen alle Gebäude. Zwischen Kaiser- Wilhelm-, Bruchwitz- und Scharzhofberger Straße sowie am Scharzhofberger Platz türmten sich die Schutthalden meterhoch. An die Existenz des Platzes erinnert heute nur noch der Name der benachbarten Kleingartenkolonie „Scharzhofberger Platz“.

Auf dem Plan von 1959 befindet sich eine Eigentümlichkeit, die dem Zeitgeist entsprach: Vor den Grünflächen östlich der Wohnungen verlief eine „gepl. Schnellstr.“, eine Stadt-Autobahn! Und auf dem Grundstück waren die 42 Stellplätze für die Autos der Bewohner mitten zwischen den Häusern vorgesehen: „Auf kürzestem Weg vom Auto ins Bett“ und umgekehrt lautete anscheinend die Devise. An den Stellplätzen 30 bis 32 war eine Fläche für „Kinderspiel“ vorgesehen. Immerhin 17 Bäume sollten gepflanzt werden.

Vorgärten an der Kaiser-Wilhelm-Straße waren nicht vorgesehen, denn die Straße sollte in einem Tunnel unter der Autobahn hindurchgefädelt werden und man brauchte Platz für die Rampen. Also überplanten die Architekten auch die 2.823 Quadratmeter Fläche des öffentlichen Scharzhofberger Platzes. Das war modern und doch schon wieder von gestern: Die Stadtautobahn hatte sich der seit 1956 amtierende Senatsbaudirektor Hans Stephan bereits ausgedacht, als er noch in Albert Speers Generalbauinspektion für die Ost-West-Achse und die Südstadt zuständig war. Ab 1953 war Stephan wieder Leiter der Landes- und Stadtplanung. Erst 1960 musste Stephan wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit vom Amt zurücktreten, doch seine Pläne wirkten fort.



Ein erster Sieg für’s Grün
Wenn man heute im GeWoSüd-Archiv in den Unterlagen jener Zeit stöbert, merkt man, dass sich dennoch mit dem Ausscheiden von Stephan etwas verändert hatte: Vom 8. Februar 1961 datiert ist ein Bepflanzungs-Plan des Gartengestaltungsbüros Encke aus Steglitz. Da gab es wieder einen Vorgarten an der Kaiser-Wilhelm-Straße, 24 Bäume sollten gepflanzt werden und zwischen den Häusern sollten keine Autos mehr parken, die Stellplätze wurden an die Straßen verlegt. „3.600 m2 gesamt. Vegetationsfläche“ steht da handschriftlich triumphierend. Wie geplant wurde gebaut und gepflanzt und auch ein Kinderbuddelplatz angelegt, durch Hecken und Wege von den Autos getrennt.



2013 nahm sich Landschaftsplaner Peter Schmidt-Seifert der 50 Jahre alten Anlagen an: „Funktional erschlossen, Park- und Müllplätze an den Öffnungen zum Straßenraum und mit einem für den engen Raum sehr vielfältigen Baumbestand“, erkannte Schmidt-Seifert und fand, dass die Fläche, wo einmal der Buddelkasten war, zugewachsen und in einen Dornröschenschlaf gefallen war. Mit einem Budget von 100.000 Euro wollte er punktuell umgestalten, die Alteingesessenen „aufwecken“ und die neu Hinzugezogenen „fröhlich begrüßen“. Mit den Nutzern diskutierte Peter Schmidt-Seifert, wie bestehende Qualitäten einbezogen werden, wenn ein „Grüner Salon“ entstehen soll, der nicht nur zu Hoffesten gemeinschaftlich oder allein nutzbar sein sollte.



Behutsame Grün-Modernisierung nach 50 Jahren
„Entstanden ist an alter Stelle ein neuer Platz zum sozialen Austausch, ein Treffpunkt mit vielfältigen Sitzmöglichkeiten – Bänke mit Rückenlehnen wie auch Sitzmauern aus Naturstein laden zum Verweilen ein. Ein kleiner Sandspielbereich mit Steg und Übergang zur Spielwiese, die zwei lustige Wackelelemente beleben. Für’s Gärtnern stehen drei große ‚Blumenvasen’ zur Verfügung. Eine differenzierte Bepflanzung aus blühenden Stauden und Gräsern fasst den neuen Platz ein“, schreibt Schmidt-Seifert über seinen Entwurf. Die Hauseingänge wurden mit Pflanzbeeten statt flankierender Sträucher „angstfreier“ gestaltet, Wege mit Pollerleuchten ausgestattet. Die Vorgärten entlang der Kaiser- Wilhelm-Straße wurden endlich mit einem niedrigen Zaun und einer blühenden Hecke aus Spiersträuchern eingefasst.



Man glaubt es nicht, aber erst im November 2003 hat das Abgeordnetenhaus von Berlin der Senatsvorlage zugestimmt, die Neubautrasse der B 101 zwischen Malteserstraße und Munsterdamm aus dem Flächennutzungsplan zu streichen. Damit war endgültig die Planungssicherheit für die grüne Oase an unserem Lankwitzer Standort gegeben.


(Mehr Infos und Bilder zur Planungsgeschichte und zur Kunst am Bau)

 

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